Musikstimme des "Rodnik"
Das deutsch-russische Kultur-, Sozial- und Bildungszentrum „Rodnik“ wurde Anfang des neuen Jahrhunderts in Fulda als Verein zur Pflege der russischen Kultur gegründet. Die russischsprachigen Migranten suchten immer nach etwas Verwandtem in dem neuen Land, in dem sie alles neu anfangen sollten. Dabei war es sehr wichtig, ein neues Leben aufzubauen, ohne die eigenen Wurzeln zu vergessen. Jede Migration kann man mit einer entwurzelten Pflanze verglichen werden, die sich Tag für Tag an den neuen Boden gewöhnt, sich zur Sonne streckt, die alten Wurzeln behält und die neuen Sprosse entfaltet Deswegen ist der Name „Rodnik“ sehr symbolisch, denn er ist mit solch wichtigen Wörtern wie „Rodina“ (Heimat) und „rodnoj“ (verwandt) verwandt. Alles was das Herz derjenigen wärmt, die irgendwann aus verschiedenen Gründen ihre Heimat verlassen haben, um diese später in einem anderen Land wieder neu zu finden.
Jede gemeinschaftliche Organisation in Deutschland hat ihre Geschichte. „Rodnik“ entstand in Fulda dank der Initiative von Tamara Shamo. Diese starke Frau mit einer unerschöpflichen Vielzahl an. Ideen hat den Traum ins Leben gerufen. Alles Große fängt zunächst klein an. Zuerst fand Tamara die Möglichkeit, ihre Artikel in der örtlichen Presse zu veröffentlichen. Hier bot sie den Menschen an, etwas Neues und Interessantes für sich selbst zu organisieren. Als erste kam Larissa Timpel (zukünftige Kollegin, Freundin und zweite Vorsitzende des Vereins), und gestand, dass sie die russische Sprache vermisst und Menschen mit einer russischen Mentalität sucht. Später kamen weitere Gleichgesinnte dazu und so wurde der Verein „Rodnik“ gegründet. Alle Mitglieder der Initiativgruppe wollten sich in Deutschland gleichberechtigt fühlen und sich in die deutsche Gesellschaft integrieren, dabei wollten sie die russische Sprache jedoch nicht verlieren und sie ihren Kindern und Enkeln weitergeben, damit die russische Sprache im Alltag der Generationen nicht verlorengeht. Da sich die Kinder der Migranten die deutsche Sprache und Kultur sehr schnell aneignen, verliert die russische Sprache sehr schnell an Bedeutung. Und diese Entwicklung ist nicht zu vermeiden. Wichtig für die Kinder ist Zugang zu beiden Kulturen zu erhalten.
Über deutsch-russisches Kultur-, Sozial- und Bildungszentrum „Rodnik“, das Mitglied des Bundesverbandes russischsprachiger Eltern in Deutschland erzählt seine Vorsitzende Tamara Shamo:
Tamara, worin besteht die Besonderheit ihres Vereins?
Unsere Organisation zählt heutzutage 170 Mitglieder. In Hessen haben wir 3 Filialen unseres Zentrums. Sie alle repräsentieren kleine Brücken zwischen der deutschen und russischen Kultur und tragen der Völkerverständigung bei. Vor 15 Jahren haben wir bei der Gründung des Zentrums, haben wir zwei Richtungen gewählt: ein Kulturzentrum und eine Schule für die Kinder. Trotz alledem war allen bewusst, dass man sich darauf nicht beschränken dürfte. Daher wurden weitere Kreativkurse angeboten. Unter Migranten in Fulda gibt es sehr viele Vertreter der Kunst, weshalb diese Richtung sehr nahgelegen schien. Wir haben eine Kunstschule eröffnet, die mit deutschen Kunsteinrichtungen konkurrieren kann. Eine kreative energische Motivation zeichnet „Rodnik“ aus. Die Kinder, die bei uns Russisch lernen, besuchen obligatorischerweise auch das Theaterstudio mit gleichem Namen. Ich selbst leite dieses Studio. Bis heute wurden über 30 Stücke aufgeführt, mit denen wir erfolgreich in anderen Städten Deutschlands gastierten. Mit „Rotkäppchen“, „Mowgli“, „Dornröschen“ waren wir bei anderen gemeinschaftlichen Organisationen zu Besuch. Wir haben sogar das Buch „Rotkäppchen“ auf zwei Sprachen mit Illustrationen unserer Kinder herausgegeben. Aktuell bereiten wir uns vor, „Die Bremer Stadtmusikanten“ in Bremen aufzuführen. Dank solcher Gastspiele knüpfen wir langjährige Beziehungen mit unseren Kollegen aus ähnlichen Kultur- und Bildungszentren in verschiedenen Bundesländern. Vor ein paar Jahren haben wir angefangen, eine eigene Zeitung herauszugeben, und wenig später eröffneten wir eigene Bibliothek, wo man Bücher in drei Sprachen lesen kann – in Deutsch, Russisch und Englisch. Interessant ist, dass die meisten Bücher uns von einem älteren Deutschen geschenkt wurden. 160 Bücher, unter anderem Monographien zur Geschichte der russischen Zarenfamilie in der russischen und deutschen Sprache, den Briefwechsel von Leo Tolstoi, Tagebücher bekannter Persönlichkeiten hat er uns überreicht. Er hat beschlossen, dass seine Sammlung für die Russischsprachigen sehr nützlich sein könnte. Neben Büchern hat er auch Bilder im Stil des sowjetischen Realismus gesammelt. Zusammenfassend, kann man Ziele und Aufgaben des Zentrums folgend definieren. Unser Zentrum wurde gegründet, um „unseren Menschen“ in Deutschland die Möglichkeit zu geben, die russische Sprache und die Kulturen der Herkunftsländer zu pflegen, um zu helfen, die Schwierigkeiten bei der Integration zu bewältigen, und um den deutschen Bürgern den Zugang zum Kulturerbe von Russland und der ehemaligen Sowjetunion zu ermöglichen.
Der Verein hat so viele verschiedene künstlerische Richtungen. Warum halten die Einheimischen es für ein Musikzentrum?
Das ist ganz einfach! Auf Basis unseres Zentrums werden vier Mal im Jahr professionelle Konzerte klassischer Musik (Klavier, Geige und Gesang) aufgeführt. Aufgrund meiner Arbeit habe ich Kontakte mit professionellen Musikern, die in den Musikhochschulen und auf den Bühnen Deutschlands bereits bekannt sind. Mit diesen Bemühungen organisieren wir Konzerte, die ein großes Publikum ansprechen und auf positive Resonanz stoßen. Ohne falsche Bescheidenheit möchte ich anmerken, dass unsere Konzerte der klassischen Musik die Werke beinhalten, die der hiesigen Bevölkerung sehr gefallen. Anders gesagt, „Rodnik“ wird aufgrund seiner Musik erkannt. Bei uns treten auch Chöre und Jazzmusiker auf. Wir haben leider noch keine eigene Bühne, weshalb wir für unsere Konzerte den Konzertsaal im Barockstil im Stadtzentrum anmieten.
Woher kommt eine solche Leidenschaft für Musik?
Ich selbst komme aus einer musikalischen Familie. Meine Tochter ist Opernsängerin in Nürnberg, mein Bruder ist Komponist, mein Vater Igor Shamo war ein bekannter in Sowjetunion Komponist, meine Schwägerin und mein Neffe sind Pianisten. Demgegenüber stehen mein Mann Mit Kräften nur unserer Familie können wir professionelle Konzerte geben. Obwohl bin ich Philologin und mein Mann, der Mathematiker und ich, eine studierte Philologin. Meine Familie stammt aus der Ukraine, aus der wir vor 17 Jahren nach Deutschland ausgewandert haben. Anstoß dazu war die Katastrophe in Tschernobyl.
Wodurch ist der Verein in ihrer Stadt noch bekannt?
Unser Team organisiert regelmäßig Reisen, um den Künstleraustausch zwischen Deutschland, Russland, der Ukraine und anderen Ländern zu ermöglichen. Mit den Gruppen von Kindern bereisen wir dann andere Städte und organisieren verschiedene Seminare in Musik, Tanzen, Literatur, Malerei, Theaterspiel usw. Der Verein „Rodnik“ ist seit 12 Jahren das Mitglied des „DJO“ - Deutsche Jugend in Europa Bundesverband e.V."- einer Organisation, die an solchen Umtauschprojekten interessiert ist. Im Rahmen eines solchen Projekts kam beispielweise eine Theatergruppe von Kindern aus der russischen Stadt Peresvet zu uns. Auch aus Kiev waren verschiedene bekannte Gruppen, unter anderem ein Jungenchor, der auch vor dem Papst aufgetreten hat, zu Besuch. Der Auftritt der Kindertanzgruppe „Kalinuschka“, die ihr seltenes Können vor dem begeisterten Publikum zeigten, ist ebenfalls nicht zu vergessen. Unsere kleinen Musiker erstatten auch Besuche in der ukrainischen Hauptstadt. Es hat sich ergeben, dass die Einheimischen dank unseres Zentrums die Werke der besten Vertreter der russischsprachigen Migranten kennenlernen. Neben diesen Veranstaltungen, nehmen die Schüler der Schule „Rodnik“ an verschiedenen innovativen Projekten teil. Vor kurzem haben sie beispielweise an einem Mediaprojekt in Erfurt mitgewirkt. Die Journalisten eines Radiosenders gaben den Jugendlichen die Aufgabe, Interview s auf den Straßen zum Thema „50 Jahre Raumfahrt von Juri Gagarin“ durchzuführen. Junge Reporter mit einem Mikrophon in der Hand versuchten festzustellen, was normale Bürger über „russischen Helden“ wissen. Das Material wurde gesammelt, ausgewertet und es entstand eine echte Radiosendung über den sowjetischen Kosmonauten. Dieses Jahr haben wir während der Winterferien ebenfalls ein solches Radioprojekt realisiert. Zum Lied „Freundschaft haben die Kinder selbst Text geschrieben und Musik komponiert. Selbst örtliche Presse berichtete davon. Ein weiterer Stolz ist unser Ballettstudio. Viele junge Tänzerinnen wurden bereits mehrmals zur Preisträgerinen verschiedener Wettbewerbe in Deutschland. Sie treten regelmäßig bei städtischen und ländlichen Feiern auf.
Wie schaffen Sie das, so viele Projekte und Veranstaltungen zu organisieren?
Ich gestehe, dass es aufgrund von viel Organisation und Verantwortung nicht so einfach ist. Das Erfolgsgeheimnis von „Rodnik“ besteht in der harmonischen und professionellen Arbeit des Teams. Eine große Hilfe für mich ist Larissa Timpel, unser zweite Vorsitzende. Für sie ist „Rodnik“ zur zweiten Familie geworden. Die Arbeit unseres Zentrums ruht auf den Schultern solcher Fachleute wie der Choreographien Natalia Sidorova, der Vorsitzenden des Elternkomitees, einer erfahrenen Pädagogin, der Leiterin des Sommerslagers für Kinder - Tatjana Fast, der hervorragenden Musiklehrerin- Helen Zaloga, der Pädagogin - Anna Glas und vieler weitere. Die Vertreter der älteren Generation sind auch nicht zu vergessen. In „Rodnik“ arbeitet ein Interessenstudio. Seine Leiterin ist die Doktorandin der Wirtschaftswissenschaften, Schriftstellerin und Dichterin, Raissa Buschko. Wir alle arbeiten in dem Verein mit großem Engagement, obwohl wir ehrenamtlich und für kleine Honorare arbeiten. Aber der materielle Aspekt ist für unsere Arbeit nicht maßgebend. Jeder Pädagoge möchte einfach seinen Beitrag zur Pflege der russischen Kultur leisten und der heranwachsenden Generation seine Kenntnisse weitergeben.
Besuchen viele Jugendliche ihr Zentrum?
Ja, selbstverständlich. Sehr interessiert wir an der Entwicklung der Jugendpolitik unter Migranten. Aus diesem Grund arbeitet unser Verein aktiv mit dem Bundesverband russischsprachiger Eltern zusammen, der 2010 gegründet wurde. Wir sind Mitglied des BVRE und nehmen an vielen seinen Projekten teil. Wir möchten die Initiative des „Rodnik“ in die Hände der nächsten Generation geben. Die Bildung steht dabei natürlich bei den Jugendlichen an der ersten Stelle. Mental sind ihnen der deutsche Lebensstil und die deutsche Kultur viel näher. Dabei ist die deutsche Sprache oftmals ihre Muttersprache, obwohl dennoch viele Russisch sprechen und verstehen. Es ist uns sehr wichtig, dass die Kinder das Interesse am Verein nicht verlieren. Dies Interesse versuchen wir schon früh zu vermitteln. Durch die Mitwirkung an verschiedenen Wohltätigkeitsveranstaltungen lernen die Kinder Schmerzen und Leiden anderer Menschen gegenüber offen zu sein. Ein Beispiel: vor kurzem wurde das Projekt „ Kinder aus Deutschland für Kinder aus der Ukraine“ ins Leben gerufen. Unter diesem Motto wurde das erste Benefizkonzert zu Gunsten der Waisenhäuser in Kiev und Makeewka aufgeführt. Sowohl junge Pianisten, Geiger als auch Tänzerinnen unterstützten mit dem Konzert Waisenkinder aus der Ukraine.
Haben die letzten Ereignisse in der Ukraine die Arbeit ihres Zentrums beeinflusst?
Nein! Die Kinder gehören nicht in die Politik! Wir haben und werden weiter allen bedürftigen Menschen unabhängig von ihrer Nationalität, ihrer religiöser Zugehörigkeit, politischer Situation in ihren Herkunftsländern weiter helfen. Das ist unsere Aufgabe. „Rodnik“ nimmt alle auf. Seine Türen sind für alle offen!