BVRE 2023. Jahresrückblick

Olga Groznaya · 

Dialoge zu den für Deutschland wichtigen Themen, Gelegenheiten, Menschen mit unterschiedlichen Migrationsgeschichten zu hören, den Schmerz derer zu spüren, die die Folgen der kolonialen Vergangenheit erleben, jungen Menschen Formen und Wege zu geben, wie sie ihr bürgerschaftliches Engagement umsetzen können, Unterstützung von migrantischen Eltern zu vielfältigen Themen vom Schulsystem über Umweltkompetenz bis hin zur Betreuung geflüchteter Seniorinnen und Senioren– das war das Jahr 2023 für den Bundesverband russischsprachiger Eltern (BVRE) e.V.

In der Weihnachtszeit ging das BVRE-Team auf eine Insel, jedoch nicht im Ozean. Die Insel der Demokratie befindet sich im NS-Dokumentationszentrum in Köln. Es handelt sich um eine Questreihe für erwachsene Teilnehmer*innen. Nach dem Szenario gelangen nach der Apokalypse mehrere Gruppen von Menschen auf eine einsame Insel, sie ordnen ihr Leben und beantworten scheinbar einfache Fragen: Sollen alle Menschen die gleichen Aufgaben erledigen oder sollen bei der Aufgabenverteilung das Wissen und die Fähigkeiten jedes und jeder Einzelnen berücksichtigt werden? Welcher Haustyp soll gebaut werden? Wie wird das gefangene Fisch verteilt? Später, auf dem Inselrat, ist jede Frage zum demokratischen Prinzip geworden, welcher dem Zusammenleben die Grundlage gibt.

Diese gemeinsame Veranstaltung deckt für das BVRE-Team symbolisch alle Themen und Formate des Verbandes in 2023 ab.

- Dieses Jahr haben wir das Projekt Im Plural gestartet, zu dessen Zielen unter anderem Demokratieförderung als Teilhaberaum für alle gesellschaftlichen Gruppen in Deutschland gehört. Bei allen Projektmaßnahmen, es waren 60, haben wir über den Kampf gegen die Stereotypen, den Rassismus und Xenophobie gesprochen. In diesem sowie in anderen Projekten entwickeln wir innovative Methoden und Formen, deswegen kommt mir solcher Jahresabschluss im Questraum “Demokratieinsel” symbolisch vor,

- so der Geschäftsführer des Verbandes Wladimir Weinberg.

Er weist darauf hin, dass die Ereignisse des Jahres 2023, wie der andauernde Krieg in der Ukraine, der Terrorangriff des HAMAS auf Israel sowie die Reaktion der Migrant*innen aus dem postsowjetischen Raum auf diese Ereignisse, nochmal die Wichtigkeit der Arbeit des BVRE im Bereich der politischen Bildung zeigen.

- In allen Projekten und Formaten haben wir ins Schwarze getroffen. Das ist genau das, was den Leuten wichtig ist, das haben wir anhand der Teilnehmer*innenzahlen bei unseren Projektmaßnahmen gesehen, wie auch anhand ihrer Aktivität und Engagement.

Das Projekt Kompetenznetzwerk für das Zusammenleben in der Migrationsgesellschaft war in diesem Jahr reich an unterschiedlichen Formaten.

- Gemeinsam mit unseren Partnerorganisationen produzierten wir Videos, nahmen Podcasts auf, verfassten analytische Publikationen über die Migrationsgesellschaft in Deutschland, spielten kreative Spiele und organisierten Theateraufführungen. Das vielleicht bedeutendste und emotionalste Ereignis war die Fachkonferenz Berliner Talks II, bei der wir über dekoloniale Prozesse in der Gemeinschaft des postsowjetischen Raums gesprochen haben,

- sagt Anastasia Sudzilovskaya.

Auch das Jugendcamp in Weimar ist zu einem neuen Format im Projekt geworden; das Team sucht nun nach Fördermitteln, um eine solche Veranstaltung im Jahr 2024 durchzuführen.

Im Jahr 2023 setzte der BVRE seine Arbeit im Bereich der Umweltbildung fort. Wir führten ein Seminar für Multiplikator*innen durch, die wiederum Veranstaltungen in deren Regionen organisierten.

- Wir hatten zwei Zielgruppen. Auf der einen Seite gibt es ukrainische Geflüchtete, die Wissen über die Umweltprinzipien des Lebens in Deutschland brauchen. Zum anderen wollten wir diejenigen, die schon lange in Deutschland leben, motivieren, sich bewusst mit Umweltthemen auseinander- und sich aktiv für die Umwelt einzusetzen. Unserer Meinung nach war es ein Erfolg,

- sagt die Leiterin des Projektes "Stärkung des Umweltschutzbewusstseins in den russischsprachigen Migrant*innenselbstorganisationen" Alöna Turevska.

2023 hat auch das BVRE-Team fleißig gelernt. Für die Mitarbeitenden wurden Seminare über Verschwörungsideologien, Propaganda, Antisemitismus und Rechtsextremismus organisiert.

- Wir begegnen in unserer Arbeit, genauso wie unsere Mitgliedsorganisationen, den Menschen, die daran glauben, dass die Erde flach ist und dass Ursache für alle Weltprobleme bei den Machthaber*innen der Welt liegt. Mit erfahrenen Referent*innen haben wir die existierenden Verschwörungstheorien und Vorurteile analysiert und bereiten jetzt die Publikationen für die Verbandsmitglieder zu diesen Themen vor, wo die gängigsten Fragen in einfacher Sprache erklärt werden. Das wird ein nützliches Instrument der politischen Bildung sein,

- sagt der Leiter des Projektes "Teamwork gegen Verschwörungserzählungen und Rechtsextremismus" Jurij Sargelis.

2023 war das vierte und letzte Jahr für das STEL-Projekt zur Arbeit mit Eltern. Im Rahmen dessen wurden 4 Seminare für Multiplikatoren und 30 lokale Veranstaltungen abgehalten.

Die Projektleiterin Viktoria Golub sagt:

In diesem Jahr haben wir 15 Online-Veranstaltungen durchgeführt und dadurch fast 1.800 Personen erreicht, das war ein Rekord. Das Beste daran ist, dass wir viele Rückmeldungen von Eltern erhalten haben, die uns geschrieben haben, dass sie mit Hilfe unserer Veranstaltungen Probleme in der Schule ihres Kindes lösen konnten, den Kindern geholfen haben, einen Job oder Studienplatz zu finden. Aus unserer Sicht zeigt dieses Ergebnis, wie wichtig unsere Arbeit für Eltern mit Migrationshintergrund ist und wie wichtig es ist, diese Arbeit fortzusetzen.

In diesem Jahr startete beim Bundeselternnetzwerk der Migrantenorganisationen für Bildung & Teilhabe (bbt) e.V. das Projekt PartEl. Der BVRE koordiniert die Arbeit der Regionalstelle West. Das Projekt zielt darauf ab, die Mitarbeit von Eltern mit Migrationshintergrund in den Schulgremien zu fördern. Derzeit finden Treffen und Beratungen mit öffentlichen und staatlichen Organisationen statt.

Ein wichtiges Ereignis des Jahres war die Einwerbung von Fördermitteln der Robert Bosch Stiftung zur Unterstützung ukrainischer geflüchteter Senior*innen. Im Rahmen dieses Projekts führen nun 12 Vereine Deutschkurse und Exkursionen, Treffen mit Psycholog*innen sowie Kultur- und Kreativabende durch.

- Wohl bei keinem anderen Projekt bekommen wir so viele herzliche Rückmeldungen durch die Teilnehmer*innen. Während es in Deutschland ein durchdachtes Integrationsprogramm für Kinder, Jugendliche und Erwachsene gibt, werden ältere Menschen mit ihren Problemen oft allein gelassen, viele von ihnen sind einsam. Das Projekt ist für sie zu einem großen Geschenk geworden, es ist eine Chance auf ein erfülltes Leben in Deutschland, jetzt, wo in ihrer Heimat Krieg herrscht,

- sagt Julia Sauchuk, Leiterin des Projektes "Hilfe für geflüchtete ukrainische Senior*innen".

Das Projekt "Engagement für Opfer des Nationalsozialismus-Wir dürfen nicht vergessen..." wurde um weitere zwei Jahre verlängert. Es begann vor 8 Jahren. Zusammen mit den Mitgliedervereinen helfen wir älteren russischsprachigen Menschen, die Überlebende des Nationalsozialismus sind, ihre soziale Isolation zu überwinden, gemeinsame Zeit mit anderen Überlebenden zu verbringen und ihre Erinnerungen an die schweren Zeiten des Krieges an neue Generationen weiterzugeben.

- Die Verlängerung unseres Engagements für das Projekt zugunsten der Überlebenden des Nationalsozialismus erfüllt mich mit großer Freude und Stolz. Gemeinsam setzen wir uns weiterhin dafür ein, die Erinnerung zu bewahren und einen Beitrag zur Aufarbeitung der Geschichte zu leisten. Jeder Schritt, den wir im Projekt unternehmen, trägt dazu bei, Überlebende der NS-Verfolgung zu unterstützen und sie in ihrem Leben zu begleiten

- so Yulia Rempel, Leiterin des Projektes „Engagement für Opfer des Nationalsozialismus – Wir dürfen nicht vergessen…“.

In diesem Jahr haben wir eine Gruppe von aktiven Teilnehmer*innen aus Migrant*innenorganisationen zusammengebracht und ihnen mit Hilfe erfahrener Kolleg*innen von Inside Out e.V. beigebracht, spannende Spiele zum Thema politische Bildung zu erstellen. Das Team entwickelte 10 neue Spiele und veranstaltete bundesweit 20 Spieltreffen. Wir spielten mit verschiedenen Zielgruppen, von Teenagern bis hin zu Senioren, und überall trafen wir auf bewundernde Kommentare und Bitte das Exit-Gaming-On/Off-Projekts - N°4 fortzusetzen.

Im Jahr 2023 sind dem Bundesverband russischsprachiger Eltern 8 Vereine beigetreten. Zwei von ihnen sind deutsch-ukrainische Organisationen. Für das BVRE-Team ist dies ein Vertrauensindikator, das unterstützt unsere prinzipielle Haltung gegen den Angriffskrieg.