Die Kinder haben uns geglaubt. Die Erfahrung des Wissensturm e.V.

Olga Groznaya · 

Auf der Bühne stehen Seiltänzer*innen, Akrobat*innen und Illusionskünstler*innen. Das Publikum erstarrt im Saal – das Publikum, das in wenigen Minuten die Zirkusvorstellung erleben wird.

Der Auftritt und der dazugehörige einzigartige Zirkus-Workshop sind beides Teile des Programms „Willkommen? Klasse!“ des Vereins Wissensturm e.V. für aus der Ukraine nach Berlin geflüchtete Kinder. Das Programm begann direkt nach Kriegsbeginn mit einem zweiwöchigen organisatorischem Vorlauf.

„Alles begann mit einem Aufruf auf Facebook. Wir haben geschrieben, dass unser Verein Wissensturm e.V. die Möglichkeit hat, aus der Ukraine geflohene Kinder tagsüber zu betreuen, damit die Eltern die Möglichkeit erhalten, Termine bei Sozialbehörden wahrzunehmen, Dokumente erstellen zu lassen und aber auch ihren Haushalt zu erledigen. Nur wenige Stunden später war die erste ukrainische Kindergruppe entstanden“, sagt Oxana Zenner, Leiterin des Vereins. „Auch der Jugendbund djo-Deutscher Regenbogen, Landesverband Berlin e.V. – ein interkultureller Jugendverband – meldete sich auf den Aufruf bei Facebook und bot uns Unterstützung an.“ Gemeinsam führten wir dann bis in den Juli wöchentlich wechselnde Bildungsangebote für die Kinder und Jugendlichen aus der Ukraine durch. Und in den Osterferien gab es ein echtes Abenteuer – einen Ausflug nach Boizenburg, ins Schlosshotel.“

Der Verein Wissensturm e.V. ist seit elf Jahren in Berlin tätig. Oxanas Idee, sich für geflüchtete Kinder zeitnah und konkret einzusetzen, wurde vom gesamten Team unterstützt. Berliner Lehrer*innen, Musiker*innen, Künstler*innen und andere fürsorgliche Menschen fingen in unserem Programm an, sich ehrenamtlich für die Kinder zu engagieren. Der Verein verfügte jedoch nicht über die genügend Kapazitäten, um die Kinder jeden Tag sechs Stunden lang zu beschäftigen, sie täglich zu verpflegen und für die pädagogische Arbeit notwenige Materialien und Spielzeug zu beschaffen. Aber auch hier konnten innerhalb weniger Tage Spenden eingeworben und Kooperationen begonnen werden.

„Wir konnten ab Mitte März 2022 an fünf Tagen pro Woche Bildungsprogramme für die ukrainischen Kinder anbieten. Die Kinder haben gespielt, gemalt, gebastelt, Ausflüge gemacht und dabei auch die ersten Worte Deutsch gelernt. Täglich haben viele Ehrenamtliche dafür gesorgt, dass den aus der Ukraine geflohenen Kindern das Ankommen in Deutschland erleichtert wird, und wir sind stolz darauf, dass es möglich wurde.“, sagt Oleg Komarov, Leiter des Programms „Willkommen? Klasse!“.

– Bis Ende Juli haben rund 50 Kinder teilgenommen, die von rund 20 Freiwilligen begleitet wurden. Möglich wurde dies auch durch die Unterstützung des Jugendverbandes djo-Regenbogen Berlin, mit dem wir eng kooperieren. So konnten unsere Kreativkurse im Rahmen der Jugendverbandsarbeit aus Berliner Landesmittel sowie aus Bundesmitteln gefördert werden. Und der djo-Regenbogen Berlin entlastet uns, indem er sich um die Fördermittelakquise und -abrechnung kümmert. Dafür bedanken wir uns sehr.“

Die ersten Wochen im Programm „Willkommen? Klasse!“ waren die schwersten. Ukrainische Eltern hatten Angst, dass ihren Kindern etwas zustoßen könnte. Die Kinder stellten Fragen zu Nationalität und zur unserer Einstellung zum Krieg.

Die ersten Treffen waren bewegend. Wir sind auf die Fragen der Kinder immer ehrlich eingegangen und haben versucht, auch alle schwierigen Fragen zu beantworten: Ja, es gibt im Team des Wissensturm e.V. Kolleg*innen aus Russland – es gibt aber auch Menschen aus anderen Ländern, die dabei sind. Es war uns wichtig, über die Prinzipien des Lebens in Deutschland zu sprechen, über Toleranz, über Vielfalt. Es war aber auch wichtig, dass die Kinder zur Ruhe kommen und durch unsere täglichen Bildungsangebote haben wir die Voraussetzungen dafür geschaffen. Die Kinder haben sich angefreundet, Deutsch gelernt, Berlin und andere Städte gesehen“, sagt Oleg Komarov. Bei den Familien, deren Kinder das Programm „Willkommen? Klasse!“ besuchen, hat sich in den letzten sechs Monaten viel getan. Die Eltern fanden Wohnungen in verschiedenen Berliner Bezirken, die Kinder gehen nun zur Schule. Und die meisten von ihnen besuchen weiterhin die kreativen Kurse, Ferienfahrten und Exkursionen ihres geliebten Vereins Wissensturm e.V.

Besonders erfreulich ist, das die Angebote für aus der Ukraine geflüchtete Kinder fortgesetzt werden können. Der Verein wird Kurse in bilingualen Gruppen anbieten, die schon eine lange Tradition im Wissensturm haben. Es werden aber auch zusätzliche Kreativkurse, Exkursionen und Ferienfahrten stattfinden. Denn ab dem 01. August wird das Programm „Willkommen? Klasse!“ über den djo-Regenbogen Berlin mit Mitteln des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend für Maßnahmen der Jugendverbandsarbeit mit aus der Ukraine geflüchteten Kindern und Jugendlichen gefördert.

Um auch den aus der Ukraine geflüchteten Eltern konkrete Unterstützung bieten zu können, beteiligt sich Wissensturm e.V. nun auch am STEL-Projekt des BVRE e.V. Und während die Mütter über Integrationsthemen diskutieren und sich mit Psycholog*innen austauschen, können die Kinder mit dem Team des Wissensturm e.V. Berlin entdecken.